Die Dokumentation “Gegen den Strom” porträtiert die Sportlerin und Flüchtlingshelferin Sara Mardini. Im Rahmen des Filmstarts findet eine bundesweite Kinotour statt, die von Amnesty International unterstützt wird.
Do. 4.5. / 20:00 Diskussion nach dem Film mit Anna-Marie Jäger, Amnesty International, Bremen
weitere Termine: Fr. 5.5., So. 7.5. + Di. 9.5. / 17:30
Sa. 6.5. + Mo. 8.5. / 20:00
So. 14.5. + Di. 16.5. / 20:30
Mo. 15.5. + Mi. 17.5. / 18:00
Mi. 17.5. / 15:00
Sara Mardini ist Flüchtlingshelferin, sie selbst ist 2015 mit ihrer Schwester Yusra aus Syrien geflohen. Spektakulär war die Überfahrt nach Griechenland, deren Umstände die beiden berühmt machen sollte: Gemeinsam springen sie nach Ausfall des Schiffsmotors ins Wasser, ziehen das Boot drei Stunden lang. Die Geschichte der beiden sorgt international für Aufsehen und wirft ein Licht auf die Situation der Menschen, die dem Krieg in Syrien zu entkommen suchen.
Regisseurin Charly Wai Feldman erzählt die Geschichte der beiden Schwestern nun in ihrem facettenreichen Dokumentarfilm “Gegen den Strom”, der am 23. März 2023 in die Kinos kommt, nach. Vier Jahre hat sie Sara begleitet – eine junge Frau, die trotz schwierigster Umstände nie den Mut verliert.
Mardini, die Kämpferin: Die damalige Rettungstat kam nicht von ungefähr. Sara und Yusra stammen aus einer Familie von Sportlern in Syrien. Beide sind Schwimmerinnen. Sara sagt: “Mein Vater war Wettkampfschwimmer und unser Lehrer. Ich bin im Wasser aufgewachsen.” Yusra wird später sogar in einem Geflüchteten-Team an den Olympischen Spielen teilnehmen.
Sara entscheidet sich zu etwas anderem. Sie beginnt, ehrenamtlich im griechischen Flüchtlingslager Moria auf der Insel Lesbos zu arbeiten, fährt auf dem Rettungsschiff der NGO Sea-Watch mit. 2018 wird sie verhaftet, ihr werden schwerwiegende Straftaten zur Last gelegt: Schleusertätigkeit, Geldwäsche und Betrug, ja sogar Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. 24 Menschen sind insgesamt angeklagt. Beobachter sprechen von einem Schauprozess. “Erst kommt die Ordnung, dann die Humanität”, sagt der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer im Film.
Schwester Yusra ist währenddessen als UN-Botschafterin unterwegs, es gibt gar nette Worte von Ex-US-Präsident Barack Obama. Sie selbst fühlt sich jedoch vorgeführt. Insbesondere wegen ihrer Aussagen zu den extrem hohen Kosten für die Überfahrt von der Türkei nach Griechenland – 10.000 Euro für einen Platz auf einem kaum schwimmfähigen Boot. Ihr Fall, mutmaßt sie, soll andere, die sich mit Fluchtplänen tragen, auch durchaus abschrecken.
Und Sara, die sich weiterhin in der Flüchtlingshilfe engagiert? Nachdem sie schon Monate in der Untersuchungshaft verbracht hat, drohen ihr bis zu 25 Jahre Haft wegen Menschenschmuggels. Das Verfahren, mittlerweile an ein übergeordnetes Gericht verwiesen, wird von Rechtsanwälten und Menschenrechtsorganisationen kritisiert, weil es jede Menge Mängel in der Prozessführung gibt. Manche Anklagepunkte wurden zu Beginn des Jahres bereits fallengelassen, nicht jedoch der Vorwurf, schwere Straftaten begangen zu haben. Ein Ende des Prozesses ist wie sein Ausgang nicht abzusehen.
Amnesty International hat die griechischen Behörden aufgefordert, die Anklagen fallenzulassen. “Sie taten, was wir alle an ihrer Stelle tun müssten. Menschen zu helfen, die auf einem der tödlichsten Seewege Europas zu ertrinken drohen, und ihnen an der Küste beizustehen, ist kein Verbrechen,” sagt Nils Muižnieks, der Regionaldirektor für Europa bei Amnesty International.
Dieser Prozess zeige, dass die griechischen Behörden bis zum Äußersten gehen, um humanitäre Hilfe zu verhindern und Migrant*innen und Flüchtende davon abzuhalten, an der Küste des Landes Schutz zu suchen. Muižnieks: “Es ist eine Farce, dass dieser Prozess überhaupt stattfindet.”
Neben ausführlichen Interviews, in denen die Schwestern, die mittlerweile mit ihren Eltern in Deutschland leben, und viele weitere Akteur*innen der Flüchtlingshilfe zu Wort kommen, beleuchtet der Film die Situation der Schwestern und anderer Geflüchteter heute, im Norden wie in den südlichen Ländern Europas. Ein eindrucksvoller, gut erzählter und sehenswert geschnittener Film.
Ein weiterer Angeklagter ist Sean Binder, der zusammen mit Sarah Flüchtlinge aus Seenot gerettet hat. Hier ist die Geschichte der beiden
Sie waren einer der Fälle des Briefmarathon 2019.
Ein weiterer Fall einer ungerechtfertigten Anklage ist der der Hiblu 3, die in Malta vor Gericht stehen.
Drei Jugendliche und etwa 100 andere Menschen wurden von der Besatzung des Öltankers “El Hiblu” aus einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer gerettet. Doch die Besatzung versuchte die Geretteten – menschenrechtswidrig – nach Libyen zurückzubringen, wo sie erneut Haft und Folter ausgesetzt wären.
Die drei Jugendlichen dolmetschten und vermittelten. Schließlich änderte die Schiffsbesatzung den Kurs Richtung Europa. Aber auf dem Meer vor Malta stürmten die maltesischen Behörden das Schiff und behaupteten, die drei Jugendlichen hätten es mit Gewalt unter ihre Kontrolle gebracht. Ihnen drohen jetzt lebenslängliche Haftstrafen.
Dabei wollten die drei Jugendlichen nur in Sicherheit gelangen und die übrigen Geretteten schützen.
Bereits seit drei Jahren warten die jungen Menschen auf ihr Urteil. Die Ungewissheit ist extrem belastend. “Ich bin entmutigt und verzweifelt, denn dieses Gerichtsverfahren zieht sich hin. Es wirkt, als würden die Behörden sich weigern, die Wahrheit zu sehen”, sagte einer der Jugendlichen gegenüber Amnesty.