Wie jedes Jahr wird Amnesty wieder bei der Maikundgebung des DGB dabeisein und Unterschriften für verfolgte Gewerkschafter*innen sammeln. Treffpunkt: AI-Infostand Domshof in der Nähe des Rathauses 11:00 – 11:30 Uhr.
Arbeiter*innen protestieren in Sylhet in Bangladesch für bessere Arbeitsbedingungen (10. August 2022).
In diesem Jahr setzen wir uns für folgende Fälle ein:
1. Kambodscha: Chhim Sithar
Die Gewerkschaftsvorsitzende Chhim Sithar war auf der Rückreise von einem Treffen mit anderen Gewerkschaftsvertreter*innen in Australien, als sie am 26. November 2022 in Kambodscha festgenommen wurde. Seitdem befindet sie sich in Haft. Sie soll gegen Kautionsauflagen verstoßen haben, von denen sie gar nichts wusste. Während ihres Besuchs in Australien war ein Bericht von Human Rights Watch veröffentlicht worden, der ihre Kritik an den repressiven Maßnahmen der kambodschanischen Regierung zitierte. Chhim Sithar ist die Vorsitzende der Gewerkschaft der Khmer-Beschäftigten (Labor Rights Supported Union of Khmer Employees, LRSU) des Casino- und Hotelkomplexes NagaWorld in der Hauptstadt Phnom Penh. Deren Mitglieder befinden sich nach Massenentlassungen seit Dezember 2021 im Streik.
Chhim Sithar war bereits im Januar 2022 unter dem Vorwurf “Anstiftung zu einer Straftat” gewaltsam festgenommen worden. Damals wurde sie von verdeckt arbeitenden Polizist*innen am Hals gepackt und in ein Fahrzeug gezerrt, als sie sich einem Streik in Phnom Penh anschließen wollte. Sie verbrachte 72 Tage in Untersuchungshaft und wurde im März 2022 gegen Kaution freigelassen – bis zu ihrer erneuten Inhaftierung.
Online-Petition für Chhim Sithar
2. IRAN: FREIHEIT FÜR MEHRAN RAOUF!
Der britisch–iranische Staatsbürger und Arbeitsrechtsaktivist Mehran Raouf wurde am 16. Oktober 2020 willkürlich festgenommen und befindet sich seitdem im Evin–Gefängnis in Teheran. Er wird in verlängerter Einzelhaft gehalten und hat keinen Kontakt zu einem
Rechtsbeistand. Dies stellt einen Verstoß gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen dar. Mehran Raouf ist ein gewaltloser politischer Gefangener und muss umgehend freigelassen werden.
Etwa zur gleichen Zeit der Festnahme von Mehran Raouf wurden weitere Aktivist*innen im Rahmen einer landesweit koordinierten Aktion festgenommen, die den Einsatz für Arbeitsrechte unterdrücken sollte. Die iranischen Behörden greifen immer wieder hart gegen
Arbeitnehmer*innen, Gewerkschafter*innen und Arbeitsrechtsaktivist*innen durch, die ihren Unmut über nicht gezahlte Löhne, prekäre Arbeitsbedingungen, die hohe Inflation und einen niedrigen Lebensstandard äußern. Friedliche Proteste für die Rechte von Beschäftigten führen häufig zu Angriffen und Gewalt durch die Sicherheitskräfte. Zudem drohen Aktivist*innen willkürliche Festnahmen und Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen sowie lange Haftstrafen – oftmals basierend auf fadenscheinigen Anklagen in Bezug auf die nationale
Sicherheit. Trotz der gewaltsamen Unterdrückung und Verfolgung von Gewerkschaften und Arbeitsrechtsaktivist*innen unterstützen diese die seit September 2022 andauernden landesweiten Proteste. Anlässlich des 40. Jahrestags der Islamischen Revolution im Februar
2023 haben 20 Gewerkschaften ein Manifest veröffentlicht, das ein politisches System fordert, welches grundlegende Menschenrechte achtet.2 Im Dezember 2022 hatten sich zahlreiche iranische Gewerkschaften den landesweiten 3–tägigen Streiks in Solidarität mit den
Protesten angeschlossen. Einzelgewerkschaften wie z.B die Gewerkschaft der Lehrer*innen organisieren regelmäßig Demonstrationen und Streiks und stellen sich offen an die Seite der Protestbewegung und ihrer zumeist jungen Protagonist*innen.
Auf Wunsch seiner Familie können wir leider keine weiteren Angaben zu dem konkreten Engagement von Mehran Raouf machen. Ehemalige Inhaftierte haben gegenüber Amnesty International immer wieder angegeben, dass die Revolutionsgarden, die auch Mehran Raouf verhaftet haben, Inhaftierte unter Folter zu Geständnissen zwingen, die dann später gegen sie in Prozessen eingesetzt werden. Es besteht die Sorge, dass Mehran Raouf zusätzlich zu seiner seit Monaten anhaltenden Einzelhaft weiterer Folter und Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt ist.
Seit seiner Festnahme wurde Mehran Raouf lediglich ein kurzes Telefonat zu entfernten Verwandten im Iran gestattet. Kontakt zu seiner engeren Familie, die außerhalb des Irans lebt, wird ihm nicht gewährt. Auch der Zugang zu seinem Rechtsbeistand wurde ihm verwehrt,
obwohl dieser von der obersten Justizautorität offiziell zugelassen und von der Familie beauftragt wurde. Zusätzlich bedroht ist Mehran Raouf, da er sowohl die britische als auch die iranische Staatsbürgerschaft hat, da die iranische Staatsbürger-schaft aus Sicht der Islamischen Republik Iran nicht abgegeben werden. Damit ist er einer von zahlreichen Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft, die in den letzten Jahren vermehrt im Iran willkürlich inhaftiert wurden, um als Faustpfand für politische Zwecke zu dienen.
Online-Petition für Mehran Raoof
3. IRAN: ISMAIL ABDI
Esmail Abdi ist Mathematiklehrer und Vorsitzender der Lehrergewerkschaft im Iran (ITTA). Unabhängige Gewerkschaften sind im Iran verboten. Das Revolutionsgericht Teheran verurteilte ihn im Februar 2016, die Strafe wurde vom Berufungsgericht im Oktober 2016 bestätigt. Seit dem 9. November 2016 ist Esmail im Evin-Gefängnis, zur Verbüßung einer 6-jährigen Haftstrafe. Angeklagt wurde Esmail Abdi wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten. Dazu gehörten friedliche Demonstrationen von Lehrkräften gegen ihre schlechte Bezahlung und den niedrigen Bildungsetat sowie gegen die Inhaftierung von Gewerkschaftsmitgliedern. Nach Einschätzung des Gerichts stellten sie aber „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ und „Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit“ dar. Esmail Abdi wurde bereits mehrfach willkürlich inhaftiert und aufgrund seiner Gewerkschaftstätigkeit angeklagt und verurteilt. 2011 ist Esmail Abdi wegen Verstößen gegen die Staatssicherheit zu einer zehnjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Am 27. Juni 2015 wurde er festgenommen, nachdem er versucht hatte, ein Visum für eine Auslandsreise zu einem Bildungskongress zu erhalten. Man hielt ihn 40 Tage lang in Einzelhaft. Anschließend wurde er zehn Monate unter sehr schlechten Haftbedingungen festgehalten. Am 14. Mai 2016 kam er gegen Kaution frei, nachdem er 14 Tage lang in einen Hungerstreik getreten war, um gegen die Unterdrückung von Gewerkschaften im Iran zu protestieren. In einem offenen Brief, den Esmail Abdi im April 2016 aus dem Gefängnis schrieb, erklärte er: “Nach den Beweisen, die zu dem Urteil gegen mich geführt haben, könnte man sagen, dass jede Bemühung, … das Leben und die Lebensumstände von Lehrer_innen und Arbeiter_innen im Iran zu verbessern, als Handlungen gegen die nationale Sicherheit gewertet werden”. Sein Prozess verstieß gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren. Er hatte während des gesamten Ermittlungsverfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl – er musste einen vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger akzeptieren. Zudem durfte sein Anwalt vor dem Gerichtsverfahren keine Einsicht in die Akte seines Mandanten nehmen.