27.8. Mahnwache/Stand zur Repression in Russland

11-13 Uhr Ulrichsplatz/Ostertorsteinweg

Der Krieg in der Ukraine hat zu einer verstärkten Repression in Russland geführt. Nach Informationen der russischen Gruppe OVD-info sind mehr als 15.000 Menschen im Zusammenhang mit friedlichen Antikriegsprotesten festgenommen worden. Hunderte Gerichtsverfahren wurden gegen sie eingeleitet, dutzende Websites unabhängiger Medien willkürlich blockiert und weitere zivilgesellschaftliche Organisationen aufgelöst, faktisch verboten oder als “ausländische Agenten” oder “unerwünscht” gelistet.

Wir haben für unsere Mahnwache 2 Fälle herausgesucht, für die Sie sich per Unterschrift vor Ort am Ulrichsplatz oder hier online einsetzen können.

1. Antikriegsaktion der russischen Künstlerin Aleksandra Skochilenko

Das Bild zeigt das Porträtfoto einer FrauDie russische Künstlerin Aleksandra Skochilenko protestierte im März 2022 in einem Supermarkt in St. Petersburg gegen die russische Invasion der Ukraine, indem sie Preisschilder durch Anti-Krieg-Slogans ersetzte.

Die Lage spitzt sich zu: Am 29. Juli wurde die Untersuchungshaft von Aleksandra Skochilenko erneut verlängert, diesmal bis zum 1. September. Zuvor hatte das Zentrum für Extremismusbekämpfung behauptet, dass die Künstlerin einer “radikalfeministischen Protestgruppe” angehöre. Beweise dafür gibt es allerdings nicht. Aleksandra Skochilenko gibt an, noch nie von dieser Gruppe gehört zu haben. Die Aktivistin war im April festgenommen worden, weil sie in einem Supermarkt in Sankt Petersburg Preisschilder durch Antikriegsinformationen ersetzt haben soll. Bei einer Verurteilung drohen ihr bis zu zehn Jahre Haft. Aleksandra Skochilenko ist durch eine Glutenintoleranz gesundheitlich stark beeinträchtigt. Da sie in der Untersuchungshaft nicht die erforderliche Ernährung und medizinische Versorgung erhält, verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand.

Setzen Sie sich für Aleksandra mit dieser Online-Petition ein!

Aleksandra Skochilenko ist eine Songschreiberin und Künstlerin aus Sankt Petersburg, die international für ihr Engagement zur Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen bekannt ist. Ihr wird die “öffentliche Verbreitung wissentlich falscher Informationen über den Einsatz der Streitkräfte der Russischen Föderation und die Ausübung der Befugnisse der staatlichen Organe der Russischen Föderation” gemäß dem kürzlich hinzugefügten Paragrafen 207.3 Absatz 2 des Strafgesetzbuchs vorgeworfen. Grund für die Anklage ist, dass sie Preisschilder in örtlichen Supermärkten durch Antikriegsinformationen ersetzt haben soll, darunter Informationen über die Toten durch die Bombardierung des Theaters von Mariupol. Eine solche Aktion ist allerdings keine international als Straftat anerkannte Handlung. Alexandra Skotschilenko ist eine gewaltlose politische Gefangene, die nur aufgrund der friedlichen Wahrnehmung ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung ihrer Freiheit beraubt ist. Bei einer Verurteilung drohen ihr fünf bis zehn Jahre Haft.

Am 11. April durchsuchte die Polizei die Wohnung von Aleksandra Skochilenko, nahm sie fest und verhörte sie bis 3 Uhr morgens. Am 13. April ordnete das Bezirksgericht Vasileostrovsky in Sankt Petersburg an, sie bis zum 1. Juni in Untersuchungshaft zu nehmen. Diese wird nun immer weiter verlängert.

Am 30. Juni legte das Zentrum für Extremismusbekämpfung einen Bericht vor, in dem behauptet wird, dass Aleksandra Skochilenko Mitglied einer “radikalfeministischen Protestgruppe” namens “Achte Initiativgruppe” sei. Das Zentrum für Extremismusbekämpfung – auch Zentrum “E” – ist eine Polizeieinheit, die auf die Überwachung und Verfolgung von Oppositionellen und Regierungskritiker*innen spezialisiert ist. Aleksandra Skochilenko gibt an, dass sie noch nie von dieser Gruppe gehört habe. Es ist davon auszugehen, dass der Bericht vorgelegt wurde, um die verlängerte Inhaftierung von Aleksandra Skochilenko zu rechtfertigen. Doch vermuten sowohl Aleksandra Skochilenko als auch ihre Rechtsbeistände, dass die im Bericht erhobenen Vorwürfe später gegen sie verwendet werden könnten.

Aleksandra Skochilenko ist durch Zöliakie, eine genetische Glutenintoleranz, gesundheitlich stark beeinträchtigt. Dass sie in der Untersuchungshaft nicht die erforderliche Ernährung und medizinische Versorgung erhält, stellt eine große Gefahr für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden dar. Wenn sie glutenhaltige Nahrung zu sich nimmt, kann das letztlich zu Organversagen, Krebs oder Autoimmunerkrankungen führen. Angaben ihres Rechtsbeistands zufolge versorgt sie die Untersuchungshafteinrichtung auch weiterhin nicht ausreichend mit glutenfreien Lebensmitteln und lässt es auch nicht zu, dass sie entsprechende Nahrungsmittel von ihrer Familie erhält. Dies stellt eine ernste Gefahr für ihre Gesundheit dar. Aleksandra Skochilenko hat erheblich an Gewicht verloren, und ihr Gesundheitszustand hat sich in der Haft erheblich verschlechtert.

Weitere Infos unter: https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/russland-neue-vorwuerfe-zu-antikriegsaktion-2022-08?ref=549381

2. Anwaltszulassung entzogen

Am 15. Juli wurde den Anwält*innen Lilya Gemedzhi, Rustem Kyamilev und Nazim Sheikhmambetov wegen ihres Einsatzes für die Menschenrechte die Anwaltszulassung entzogen. Sie hatten krimtatarische Aktivist*innen auf der russisch besetzten Krim gegen politisch motivierte Anklagen verteidigt. Solange diese Entscheidung nicht aufgehoben wird, können sie Mandant*innen weder vor Gericht noch in Strafverfahren vertreten und ein Jahr lang keine neuen Qualifizierungsprüfungen ablegen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zunahme politisch motivierter Repressalien gegen Aktivist*innen ist dies eine Warnung an alle Rechtsanwält*innen auf der Krim.

Setzen Sie sich ein für Lilya Gemedzhi, Rustem Kyamilev und Nazim Sheikhmambetov!

Die Anwält*innen Lilya Gemedzhi, Rustem Kyamilev und Nazim Sheikhmambetov waren bis zum 15. Juli Mitglieder der tschetschenischen Anwaltskammer “Nizam”. An diesem Tag entzog ihnen die Anwaltskammer die Zulassung aufgrund einer Beschwerde der Direktion des Justizministeriums in Tschetschenien. Besorgniserregend ist, dass ihr Ausschluss durch die Beschwerde eines staatlichen Organs veranlasst wurde; dies verstößt gegen das Grundprinzip der Unabhängigkeit der Anwaltschaft. Ihren Rechtsbeiständen zufolge wurden die Anwält*innen im Vorfeld nicht über die Beschwerde und die Disziplinaranhörung gegen sie informiert. Auch wenn die Direktion des Justizministeriums ihnen berufliche Verstöße vorwarf, besteht kaum ein Zweifel daran, dass dies eine Vergeltung für ihre Menschenrechtsarbeit auf der Krim ist, wo sie Mandant*innen in politisch motivierten Fällen vertraten. Die Anwält*innen wollen gegen die Entscheidung vorgehen, sowohl auf gerichtlichem Wege als auch über die russische Anwaltskammer. Solange die Entscheidung nicht aufgehoben wird, können sie ein Jahr lang keine Mandant*innen in Strafverfahren und vor Gericht vertreten und keine neuen Qualifizierungsprüfungen ablegen.

In den letzten Jahren und Monaten waren Angehörige der juristischen Berufe auf der Krim zunehmenden Repressalien ausgesetzt. Der Entzug der Zulassung der drei Anwält*innen ist eine weitere abschreckende Maßnahme. Jurist*innen waren mit Durchsuchungen und willkürlichen Festnahmen durch Angehörige der Strafverfolgungsbehörden konfrontiert. Einige von ihnen wurden mit überhöhten Geldstrafen oder so genannter Verwaltungshaft für “Vergehen” belegt, die in der Ausübung ihrer Menschenrechte auf freie Meinungsäußerung und/oder friedliche Versammlung bestanden.

Hier ist die russische Anwaltskammer gefordert, sofortige Schritte einzuleiten, um den Anwaltsstatus (“advokat”) der Betroffenen wiederherzustellen. Angehörige der juristischen Berufe und insbesondere die russische Anwaltskammer sind aufgefordert, sich solidarisch zu zeigen und Schritte zu unternehmen, um Angehörige ihrer Gemeinschaft, die ihre professionellen Pflichten in Übereinstimmung mit internationalen Standards zur Rolle von Anwält*innen wahrnehmen, zu schützen.

weitere Infos unter: https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/russische-foederation-anwaltszulassung-entzogen-2022

24. August 2022