1. Mai – AI ist dabei

Ismail Abdi

Soinntag, 1.05.2022

1. Mai – DGB Hauptveranstaltung auf dem Domshof um 12 Uhr

Als Mitglieder von Amnesty International sammeln wir wieder Unterschriften, dieses Mal für bedrohte Gewerkschafter im Iran
Der Iran hat den Pakt der Vereinten Nationen unterzeichnet, wonach jeder das Recht hat einer Gewerkschaft seiner Wahl beizutreten oder eine Gewerkschaft zu gründen. Unabhängige Gewerkschaften sind im Iran aber immer noch nicht zugelassen. Nach der islamischen Revolution im Iran waren freie Gewerkschaften zunächst ganz verboten. In Betrieben waren nur die „Islamischen Räte“ (Shora-ye Eslami) erlaubt, welche für die „Verkündigung und Verbreitung der islamischen Kultur“ zuständig sind und die Aufgabe haben, „Störungen und unerwünschte Vorfälle“ zu melden. Ihre Mitglieder müssen das Prinzip der religiösen Führerschaft anerkennen und sich für den Islam engagieren. Erst seit 2003 dürfen Arbeitnehmer_innen Gewerkschaften gründen oder ihnen beitreten, sie werden aber in der Realität unterdrückt und in ihrer Arbeit behindert. Unter den bestehenden Vorschriften können Islamische Räte und unabhängige Gewerkschaften nicht in einem Betrieb vertreten sein. Trotz der Unterdrückung haben Arbeitnehmer_innen im Iran Vereinigungen und Organisationen gebildet, um u.a. gegen einbehaltenen Lohn und schlechte Arbeits-und Lebensbedingungen zu protestiere

ISMAIL ABDI

Esmail Abdi ist Mathematiklehrer und Vorsitzender der Lehrergewerkschaft im Iran (ITTA). Unabhängige Gewerkschaften sind im Iran verboten. Das Revolutionsgericht Teheran verurteilte ihn im Februar 2016, die Strafe wurde vom Berufungsgericht im Oktober 2016 bestätigt. Seit dem 9. November 2016 ist Esmail im Evin-Gefängnis, zur Verbüßung einer 6-jährigen Haftstrafe. Angeklagt wurde Esmail Abdi wegen seiner gewerkschaftlichen Aktivitäten. Dazu gehörten friedliche Demonstrationen von Lehrkräften gegen ihre schlechte Bezahlung und den niedrigen Bildungsetat sowie gegen die Inhaftierung von Gewerkschaftsmitgliedern. Nach Einschätzung des Gerichts stellten sie aber „Verbreitung von Propaganda gegen das System“ und „Absprache und Planung von Straftaten gegen die nationale Sicherheit“ dar. Esmail Abdi wurde bereits mehrfach willkürlich inhaftiert und aufgrund seiner Gewerkschaftstätigkeit angeklagt und verurteilt. 2011 ist Esmail Abdi wegen Verstößen gegen die Staatssicherheit zu einer zehnjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Am 27. Juni 2015 wurde er festgenommen, nachdem er versucht hatte, ein Visum für eine Auslandsreise zu einem Bildungskongress zu erhalten. Man hielt ihn 40 Tage lang in Einzelhaft. Anschließend wurde er zehn Monate unter sehr schlechten Haftbedingungen festgehalten. Am 14. Mai 2016 kam er gegen Kaution frei, nachdem er 14 Tage lang in einen Hungerstreik getreten war, um gegen die Unterdrückung von Gewerkschaften im Iran zu protestieren. In einem offenen Brief, den Esmail Abdi im April 2016 aus dem Gefängnis schrieb, erklärte er: “Nach den Beweisen, die zu dem Urteil gegen mich geführt haben, könnte man sagen, dass jede Bemühung, … das Leben und die Lebensumstände von Lehrer_innen und Arbeiter_innen im Iran zu verbessern, als Handlungen gegen die nationale Sicherheit gewertet werden”. Sein Prozess verstieß gegen internationale Standards für faire Gerichtsverfahren. Er hatte während des gesamten Ermittlungsverfahrens keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl – er musste einen vom Gericht bestellten Pflichtverteidiger akzeptieren. Zudem durfte sein Anwalt vor dem Gerichtsverfahren keine Einsicht in die Akte seines Mandanten nehmen.

Petition für Ismail Abdi

AKTION ZU KATAR 2022: FUSSBALL JA. AUSBEUTUNG NEIN.

Das Foto hat zwei verschiedene Hälften und sieht aus, als wäre in der Mitte ein Riss. Auf der linken Hälfte ist von hinten ein Fußballspieler in einem roten Trikot mit einem Fußball unterm Arm zu sehen, der in ein beleuchtetes großes Stadium blickt. In der rechten Bildhälfte ist ein Mann zu sehen, der ein Gerüst in einem Stadium aufbaut.

Call to action: Fordere den DFB, als größten Fußballverband der Welt, auf, für die Menschrechte in Katar am Ball zu bleiben.

Weitere nützliche Informationen erhaltet ihr in diesem AmnestyVideo:

Kurz nach der Vergabe der FIFAWM 2022 an Katar im Jahr 2010 hat Amnesty International sich entschieden, die internationale Aufmerksamkeit zu nutzen, um bessere Bedingungen für Arbeitsmigrant_innen in Katar zu fordern. Trotz erster Erfolge und Reformen in Katar werden
ausländische Arbeitskräfte weiterhin ausgebeutet und ihre Rechte missachtet.

Rund sechs Monate vor dem Anpfiff zur FußballWeltmeisterschaft 2022 fordert Amnesty International weiterhin, dem Missbrauch von Arbeitsmigrant_innen ein Ende zu setzen. Für die im Schnellverfahren errichtete Infrastruktur des Sportevents werden seit Jahren
Baustellenarbeiter_innen aus südasiatischen Ländern wie Bangladesch, Indien und Nepal sowie aus unterschiedlichen afrikanischen Ländern wie Kenia und Uganda ausgebeutet; ihre Arbeitsbedingungen kommen in einigen Fällen sogar Zwangsarbeit gleich. Die Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld der WM sind jedoch Teil eines größeren Problems:
Ausländische Arbeitskräfte arbeiten nicht nur auf den Baustellen der WMStadien und der zugehörigen Infrastruktur, sondern auch als Sicherheitspersonal und Angestellte im Hotelund Gaststättengewerbe. Rund 173.000 Menschen, überwiegend Frauen, arbeiten zudem
direkt in katarischen Familien. Viele werden trotz eines neuen Gesetzes zum Schutz von Hausangestellten ausgebeutet und misshandelt. Sie sind die verletzlichste Gruppe von Arbeitsmigrant_innen und haben wenig Möglichkeiten, dem Missbrauch zu entfliehen.

Zeit für gerechte Arbeitsbedingungen in Katar

Die Arbeit von Menschenrechtler_innen und Gewerkschafter_innen hatte erste Erfolge und Katar hat in den letzten Jahren zahlreiche positive Reformen auf den Weg gebracht: So wurden ein Mindestlohn eingeführt, ein Fonds zur Erstattung von nicht ausbezahlten Löhnen
eingerichtet, eine Schlichtungsstelle gegründet sowie „Gemeinsame Komitees“ eingeführt. Das Land hat zwei wichtige internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert. Doch vieles blieb unverändert. Die Kafala, ein Bürgschaftssystem, das Menschen ihren Arbeitgeber_innen
ausliefert, ist nicht vollständig abgeschafft worden. Die Auszahlung des Mindestlohns von umgerechnet 247 Euro im Monat erfolgt oft weiterhin unregelmäßig, verspätet oder gar nicht; Reisepässe werden nach wie vor von Arbeitgeber_innen einbehalten. Arbeitsmigrant_innen ist
es weiterhin per Gesetz untersagt, Gewerkschaften zu gründen. Ein Recht auf Kollektivverhandlungen oder ein Streikrecht gibt es nicht.
Schlimmer noch: Nach hoffnungsfrohen Anfängen rudert Katar jetzt zurück. Im Februar 2021 empfahl der Schura-Rat, einige neu eingeführte Rechte, wie das Recht, den Arbeitsplatz
wechseln und ohne Genehmigung des Arbeitgebers das Land verlassen zu können, wieder zurückzunehmen. Innerhalb der katarischen Wirtschaft wächst Widerstand gegen die Reformen aus Sorge, Einfluss und Profitmöglichkeiten zu verlieren.

Forderung: Ein „Zentrum für Arbeitsmigrant_innen“ in Katar als Erbe der WM


Amnesty International ruft weiterhin weder zum Boykott der Fußballweltmeisterschaft auf noch kritisieren wir diejenigen, die die Sportveranstaltung boykottieren. Es gilt vielmehr, die
internationale Aufmerksamkeit anlässlich der WM zu nutzen, um nachhaltige Reformen und Strukturen zum Schutz der ausländischen Arbeitskräfte in Katar auf den Weg zu bringen.

Amnesty International unterstützt in diesem Zusammenhang die Forderung der BHI („Bau- und Holzarbeiter Internationale“ = internationaler Gewerkschaftsbund der Bau- und Holzarbeiter_innen), der FIFPro (Internationale Gewerkschaft der Profifußballer) und des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Einrichtung eines Zentrums für Arbeitsmigrant_innen in Katar („Qatar Legacy Center for Migrant Workers“). Denn klar ist: Auch lange nach der WM werden Menschen aus südasiatischen und
afrikanischen Ländern Arbeit in Katar suchen. Wir fordern und erwarten eine langfristige und nachhaltige Verbesserung der Menschenrechtslage. Ein „Zentrum für Arbeitsmigrant_innen“ soll dabei helfen, die Errungenschaften aus der Zeit vor der WM fortzuführen bzw. die Reformen vollumfassend umzusetzen sowie weitere Fortschritte für die Lebens- und Arbeitsbedingungen ausländischer Arbeitskräfte zu bringen. Das Zentrum soll in erster Linie eine (selbstverwaltete) Anlaufstelle für Arbeitsmigrant_innen sein, um sich weiterbilden und
informieren zu können. Darunter fällt zum Beispiel der Zugang zu Schulungsmaterialien in
verschiedenen Sprachen und zu Informationen über Probleme, die am Arbeitsplatz auftreten können, sowie zu Gesetzen und Beschwerdeverfahren. Es wäre ein „sicherer Hafen”, wo sich die ausländischen Arbeitskräfte ohne Angst austauschen könnten.
Wir fordern: Arbeitsmigrant_innen deren Rechte im Zusammenhang mit der Fußball-WM verletzt wurden, müssen entschädigt werden.

Die Fußball WM wäre ohne die Arbeit unzähliger Arbeitsmigrant_innen nicht möglich. Trotz begrüßenswerter Reformschritte erlitten und erleiden zahllose Arbeiter_innen immer noch Missbrauch und Ausbeutung.

Amnesty International setzt sich weiterhin für die vollständige Umsetzung der Reformen ein. Natürlich macht das aber den bereits begangenen Missbrauch nicht ungeschehen. Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen an Arbeitsmigrant_innen sind seit Jahren dokumentiert – von
ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, die Zwangsarbeit gleichkommen, bis hin zu nicht untersuchten Todesfällen, die mutmaßlich auf gefährliche Arbeitsbedingungen
zurückzuführen sind.

Weder werden diese Menschenrechtsverletzungen geahndet noch erhalten Betroffene oder ihre Angehörigen eine Entschädigung.

Es ist jetzt an der Zeit, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) deutlich Stellung bezieht und die Forderung nach Entschädigungszahlungen für erlittene Rechtsverletzungen an Arbeitsmigrant_innen tatkräftig unterstützt.

25. April 2022